Weil neue Talente immer schwieriger zu gewinnen sind, umwerben Unternehmen mittlerweile auch ehemalige Mitarbeitende. Dennoch sind Re-Hiring und Boomerang-Bewerber nach wie vor mit Bedenken und Scham behaftet. Da kommt das „goldene Rückfahrticket“, über das Theresa Budde, Ankerkopf, in einem Linkedin-Post berichtet, gerade recht: Es zeigt, wie HR das Thema enttabuisieren und kluge Köpfe zurückholen kann.
Was ist denn nun genau das „goldene Rückfahrticket“? Kündigen Mitarbeitende kann die Führungskraft ein goldenes Ticket beantragen. Und ja das setzt voraus, dass Führungskräfte gut qualifiziert und reflektiert sind. Das Ticket beinhaltet einige Daten (Name, Position, Datum, Führungskraft etc.). Möchte ein ehemaliger Mitarbeiter zurückkehren und die Stelle ist vakant muss er ausschließlich das Ticket einreichen und wird damit automatisch eingestellt, und zwar mindestens zu den selben Bedingungen wie bei Kündigung.
Verschenktes Potenzial: Über 20 % warten (vergebens) auf ein Zeichen
Laut Talent-Klima-Index der Hochschule Fresenius waren in Deutschland noch nie so wenige Fach- und Führungskräfte verfügbar wie heute. Und der Abwärtstrend setzt sich Prognosen zufolge fort. Das erfordert neue Wege im Personalwesen, vor allem im On- und Offboarding.
Buddes Erfahrungen mit ehemaligen Mitarbeitenden, die gern zurückkehren würden, dafür aber einen Anstoß des Arbeitgebers brauchen, decken sich mit unserer „Boomerang-Studie“. Dafür wurden (im August 2022) über Tausend Beschäftigte aller Altersgruppen – je zur Hälfte Akademiker und Nichtakademiker – befragt, die sich in den letzten drei Jahren in Anstellung und mindestens einem Bewerbungsprozess befunden haben. Demnach können sich 43 % der Befragten eine Rückkehr vorstellen: Immerhin 17 % tragen sich sogar mit dem Gedanken, selbst eine Bewerbung an ihr ehemaliges Unternehmen zu schicken. Größer ist mit 21 % aber der Anteil der Arbeitnehmer, die auf eine aktive Ansprache ihres einstigen Arbeitgebers warten.
„Vor dem Hintergrund des aktuellen Arbeitskräftemangels tut sich hier ein großes Potenzial auf. Aber offenbar verpassen viele Arbeitgeber aktuell die Chance, ehemalige Mitarbeitende zurückzugewinnen: Tatsächlich zurückgewechselt sind unserer Umfrage zufolge nämlich nur 5 % der Befragten – und das, obwohl fast jeder Zweite sich das vorstellen könnte!“, schlussfolgert Nils Wagener, Geschäftsführer der KÖNIGSTEINER Gruppe. „Offenbar scheint es immer noch so etwas wie ein Tabu zu sein, zu einem alten Arbeitgeber zurückzukehren. Beide Seiten trauen sich noch nicht so richtig, die alte Beziehung wieder aufleben zu lassen.“
Bekundungen allein reichen nicht: Aktives Offboarding ist gefragt
Zwar geben in unserer Befragung immerhin 52 % der Arbeitgeber an, ihren scheidenden Mitarbeitern während der Trennungsphase signalisiert zu haben, dass eine Rückkehr möglich sei. Aber der geringe Rücklauf von nur 5 % ist laut Wagener ein Zeichen dafür, dass ein strategisches Offboarding eher selten praktiziert wird.
Eine Art Freifahrtschein für die Rückkehr sieht der Recruiting-Experte Nils Wagener dennoch eher skeptisch. „Die Idee gibt es ja schon eine Weile, sie wird hierzulande nur noch nicht so praktiziert. Meines Erachtens ist ein Gutschein für eine bedingungslose Rückkehr mit Vorsicht zu genießen. Insbesondere in unseren krisengeschüttelten Zeiten. Was ist, wenn jemand den Gutschein einlösen möchte, es aber aufgrund von Veränderungen einen Einstellungsstopp gibt. Damit macht sich das Unternehmen dann selbst unglaubwürdig!“
Dennoch gebe es andere gute Beispiele, die – wie auch das Goldene Rückfahrticket – in Richtung Referenz und Empfehlungsmanagement gingen. „Amazon Web Services (AWS) bietet beispielsweise recht unkomplizierte Re-Hiring-Gespräche für ehemalige Mitarbeitende an. Und auch sonst sagen Führungskräfte beliebten Mitarbeitenden ja durchaus: Die Türen stehen Dir offen, wenn Du zurück möchtest. Nur reicht diese formlose Ansprache eben nicht aus.“
Eine weitere gute Möglichkeit, qualifizierte und beliebte Mitarbeitende zum rechten Zeitpunkt für die passende Position persönlich anzusprechen und mit guten Chancen zurückzuholen, seien auch Alumni-Strategien. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC habe beispielsweise ein intensives Alumni-Programm mit regelmäßigen, auch fachlichen Topics, aufgesetzt, um mit den Ehemaligen im engen Austausch zu bleiben.
Das ganze Potenzial der rückkehrbereiten ehemaligen Mitarbeitenden kann laut Nils Wagener nur mit einem strukturierten Prozess in drei Schritten gehoben werden:
- Ein ehrliches und offenes Offboarding-Gespräch zu den Kündigungsgründen führen (z.B. Konflikte mit den Vorgesetzten, Karriereabsichten, neue Herausforderungen)
- Einen Talent-Pool mit rückkehrbereiten Mitarbeitenden anlegen (Umstände können sich ändern: z.B. Vorgesetzte wechseln, bessere Positionen und Gehaltschancen entstehen)
- Ein Alumni-Programm aufsetzen und regelmäßigen persönlichen wie fachlichen Austausch aufrecht erhalten (ermöglicht eine persönliche und bedarfsgerechte Ansprache)
Comeback No-Go: Zerrüttetes Verhältnis zum ehemaligen Vorgesetzten
Die Gründe, warum Boomerang-Bewerber zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber zurückkehren möchten, sind laut unserer Studie vielfältig. 40 % der Befragten möchten Sicherheit aus alten Arbeitsroutinen ziehen. Immerhin 21 % der Befragten rechnen mit einem Gehaltssprung. Und 23 % können sich eine Rückkehr allein deshalb vorstellen, weil sie ihre ehemaligen Kollegen vermissen.
Umgekehrt ein vielfach genannter Grund der Comeback-Skeptiker: Das zerrüttete Verhältnis zur einstigen Führungskraft. Ein Drittel kann sich nicht vorstellen, noch einmal mit dem Ex-Vorgesetzten zusammenzuarbeiten! Genau da setzt laut Initiatorin des Goldenen Rückfahrtickets, Theresa Budde, aber auch die „HR-Arbeit mit Löwenherz“ an: „Wenn gute Mitarbeitende in der HR bekannt sind und kein Rückfahrticket von ihrer Führungskraft bekommen, dann ist das genau der Punkt, an dem eine mutige HR sich einschalten sollte!“
Der Artikel ist auch in der Personalwirtschaft im Recruiting Guide 2024 erschienen erschienen.